Soziales System und akustische Kommunikation bei Augenring-

Die im Nordwesten Südamerikas beheimateten Augenring-Sperlingspapageien (Forpus conspicillatus) leben in einem komplexen, geschichteten sozialen System und sind außerordentlich lernfähig. Die soziale Entwicklung juveniler Augenring-Sperlingspapageien ähnelt dem Sozialisationsprozeß der Primaten. Im Gegensatz zu der engen Mutter-Kind-Beziehung der Primaten stehen jedoch die Eltern der Augenring-Sperlingspapageien aufgrund eines frühen Eltern-Kind-Konfliktes als Sozialisationspartner nicht zur Verfügung. Statt dessen ist die Nestgeschwisterbeziehung von zentraler Bedeutung. Auf der Basis sozialer Erfahrungen in stabilen Nestgeschwisterbeziehungen entwickeln juvenile Augenring-Sperlingspapageien soziale Kompetenz für das Leben in einer komplexen Gruppe. Einzelkinder, die ohne Nestgeschwister, in Gruppen mit benachbarten etwa gleichaltrigen Nestgeschwistertieren aufwachsen, entwickeln alternative Taktiken der Sozialisation. Einerseits verlängern sie den Kontakt zu ihren Eltern, und andererseits etablieren sie Ersatzgeschwisterbeziehungen zu gleichaltrigen Juvenilen. Die Bildung sowohl der Nestgeschwister- als auch der Ersatzgeschwistergruppen wird im Freiland durch die Etablierung von Kindergärten erleichtert, in die die Eltern mehrerer benachbart brütender Paare ihre Flügglinge führen. In kombinierten Freiland- und Gefangenschaftsuntersuchungen soll geklärt werden, welche proximaten Mechanismen der Sozialisation in Nestgeschwister- und Ersatzgeschwistergruppen zugrunde liegen und welche ultimaten Folgen sich ergeben. Hierzu sollen mittels bioakustischer Methoden das individuelle Erkennen von Gruppen- und Familienmitgliedern und das Erlernen von Gruppendialekten untersucht werden. Zum anderen sollen die sozialen Strukturen, die Verwandtschaftsverhältnisse und die Sozialisation von Einzelkindern und Nestgeschwistertieren freilebender Augenring-Sperlingspapageien untersucht werden.